Über große Konzerne und innovative Start-ups
Zu Gast bei Katharina und Dieter Schneider
Knapp 1.900 Mitarbeiter beschäftigt die Schneider Holding aus Neunkirchen. An der Spitze stehen Katharina und Dieter Schneider, zu deren Imperium die Mediashop-Gruppe, die Embers-Intelia Call-Center-Gruppe sowie eine Vielzahl weiterer Beteiligungen und Immobilien gehören. Wir führen ein angeregtes Gespräch über Bildung, Marketing, Start-ups und wie sie ihren Konzern lenken.
Bei unseren Betriebsbesuchen lernen wir Mitgliedsbetriebe aus allen niederösterreichischen Regionen kennen. Das Team der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation ist #ONTOUR in Neunkirchen. Hier ist der Firmensitz einiger Unternehmen von Katharina und Dieter Schneider. Die Begrüßung ist herzlich, die Gesprächsatmosphäre anregend und der Austausch sehr spannend.
Allseits bekannt ist Mediashop, einer der führenden Direct Response TV (DRTV)-Anbieter in Europa. Das Omnichannel-Vertriebssystem spricht Kunden über verschiedene Vertriebskanäle an, wie E-Commerce, DRTV, Social Media, Print, Telemarketing sowie eigene Shops. Dieter Schneider ist der Mastermind in puncto Zahlen und Strategie. Er entwickelt im Hintergrund das Unternehmen weiter. Katharina Schneider ist Business Angel und aus der Puls4-Serie „2 Minuten – 2 Millionen“ bekannt, in der sie in vielversprechende Ideen und Unternehmen investiert. Sie brennt für die Gründer-DNA und hat großen Spaß daran, neue innovative Ideen voranzutreiben und mit einem motivierten Team zusammenzuarbeiten. Sie war 15 Jahre operative Geschäftsführerin von Mediashop und trat vor eineinhalb Jahren aus privaten Gründen zurück.
Werbemonitor: Agieren Sie wie eine Inhouse-Agentur in puncto Marketing?
Dieter Schneider: Ja, weil man in der Dimension diese Kapazitäten selber braucht. Allerdings ist verstärkt Spezialwissen gefragt. Es gibt nicht mehr den „Allround-Social-Media-Menschen“, man muss ja schon ein Professor für Instagram sein. Es sind eigene Welten geworden und ich sehe das als Chance für diese Branchen. Wenn man die Dinge richtig macht, dann kann der Umsatz folgen, das war immer unser Credo. Wir wollen alles tun, damit wir den Umsatz möglichst direkt erzielen. Wenn wir Kampagnen durchführen, dann weniger, um uns selbst darzustellen, sondern hauptsächlich dafür, dass es relativ schnell zu einer Kundeninteraktion kommt.
Wolfgang Kessler: Was ihr macht, ist psychologisch bis ins letzte Detail durchdacht, ihr seht unmittelbar den Response.
Dieter Schneider: Genau, es wird sehr viel gemessen, es geht um Daten und Verkaufspsychologie. Die Teleshopping-Branche kommt aus dem DRTV und modifizierte sich immer mehr in Richtung digitales Omnichannel-Unternehmen. Hier gibt es andere Mechanismen in Bezug auf die Verkaufspsychologie. Es ist allerdings ein Unterschied, ob wir fünf oder zehn Minuten Zeit haben, um jemandem ein Produkt zu erklären, der gerade vor dem Fernseher sitzt, oder ob ich jemanden auf einem anderen Weg abholen muss.
Werbemonitor: Welche Tätigkeiten erledigen Sie inhouse?
Katharina Schneider: Die Transformation in den letzten 15 Jahren war weg vom old-fashioned Mediashopping hin zu einem Omnichannel-Ansatz und somit weg vom klassischen Agenturgeschäft. Wir hatten vor Jahren in der Kombination mit dem Call Center eine Agentur.
Wenn man die Dinge richtig macht, kann der Umsatz folgen.
Dieter Schneider
Dieter Schneider: Wir haben damals sogar einen Goldenen Hahn gewonnen.
Katharina Schneider: Bei Mediashop ist es so, dass wir das Marketing mit der Inhouse-Agentur eher aus Sicht der Gebrauchsgrafik einsetzen. Alles rund um Package Design, POS und den Bereich der Digitalisierung, aber es sind noch andere Mechanismen dahinter. Die Digitalisierung ist wieder in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Als wir begonnen haben, war eine Person für alles zuständig, das ist aber in der Dimension nicht mehr möglich, weil es zu fragmentiert ist.
Werbemonitor: Was hat sich verändert?
Katharina Schneider: Der Wandel des TV- bzw. Teleshoppings war interessant, weil wir die Möglichkeit hatten, Produkte zu verkaufen oder Brands auf einem relativ günstigen Weg zu entwickeln. Schon vor 15 bis 20 Jahren waren die einzige alternative Möglichkeit, Brands zu entwickeln, Kurzspot-Kampagnen oder Billboards, was sehr teuer war. Das haben nur große Marken wie Coca-Cola gemacht. Die Idee, warum wir auf die Start-ups gekommen sind, war aufgrund von Social Media und der Digitalisierung. Hier kann ich Zielgruppen anders und wesentlich günstiger ansprechen. Ein Start-up hätte sich das damals nie leisten können. Das ist die Disruption eines Start-ups. Jetzt, in Zeiten der künstlichen Intelligenz, brauche ich wesentlich weniger Ressourcen, um erfolgreich Kampagen aufzusetzen, Marken oder Produkte zu entwickeln und das Tempo ist verstärkt.
Dieter Schneider: Und vor allem, diese gleich zu testen und auszuwerten.
Katharina Schneider: Und das war ja früher nicht möglich. Kampagnen wurden über ein ganzes Jahr geplant. Aber diese Schnelligkeit, die wir jetzt haben, die Möglichkeiten mit der KI und Social Media, haben den gesamten Markt verändert.
Andreas Kirnberger: Wie integrieren Sie das?
Katharina Schneider: Es ist unterschiedlich – je größer das Unternehmen, umso schwieriger. Ich kümmere mich jetzt zu 90 Prozent meiner Zeit um das Start-up Permedio, das sich mit genbasierter und personalisierter Medizin beschäftigt. Es ist hier im Haus angesiedelt, aber die gesamte Genetik und Epigenetik funktioniert digital. Je kleiner das Unternehmen ist, umso schneller und besser kann man KI anwenden. Dazu möchte ich Folgendes erwähnen: Das World Economic Forum hat den neuesten Job-Report für 2023 herausgebracht. Es prognostiziert, dass es in den nächsten vier Jahren aufgrund der KI und Technologie 83 Millionen Jobs nicht mehr geben wird. Wir reden von vier Jahren. In diesem Zeitraum werden 69 Millionen neue Jobs mit neuen Skills geschaffen, bei 44 Prozent aller Jobs werden diese verändert. Fazit: Wir haben ein riesengroßes Problem, was Schule und Ausbildung betrifft.
Eine Idee allein ist zu wenig ist, um ein Startup erfolgreich zu entwickeln.
Katharina Schneider
Wir diskutieren über das Verbot von ChatGPT in Schulen, was in der Standard-Schulbildung nicht funktioniert und dass man nicht die ganze Schuld den Lehrern geben kann, da es hauptsächlich ein Systemthema ist, das die gesamte Wirtschaft und uns alle betrifft. Wichtig seien die Weiter- und Fortbildung sowie die individuelle Ausbildung, sind sich die beiden Unternehmer sicher. Dieter Schneider ist zudem ein Verfechter der Lehre. Allerdings müsse man die Art und Weise, wie ausgebildet wird, schleunigst ändern, damit wir hier wieder einen Wettbewerbsvorteil hätten.
Clemens Grießenberger: Wir stellen für den Bildungsbereich insgesamt zu wenig Ressourcen, zu wenig finanzielle Ressourcen, zur Verfügung – viele Schulen hatten vor der Corona-Pandemie nicht einmal ein tragfähiges WLAN. Und jetzt funktioniert es mehr schlecht als recht.
Andreas Kirnberger: Und wir sehen es ja auch bei uns. Jedes Jahr unterstützen wir die Berufsschulen, die mehr Mittel bräuchten, damit sie sich Equipment am neuesten Stand der Technik leisten können.
Werbemonitor: Wieso engagieren Sie sich für Start-ups bzw. was gefällt Ihnen dabei besonders?
Katharina Schneider: Es macht mir Spaß, innovative Ideen aufzubauen und mit einem super motivierten Team zusammenzuarbeiten. Ich mochte Strukturen und Vorgaben noch nie so besonders. Ich bin ein Typ, der gerne etwas bewegt, etwas Sinnstiftendes kreiert. Das erste Unternehmen, das wir gemeinsam aufgebaut haben, war Embers, das Work-at-Home Call Center, dann haben wir 15 Jahre Mediashop weiterentwickelt und ich habe einige Start-ups als Business Angel und Investorin unterstützt.
Letztes Jahr habe ich ausschließlich gecoacht, derzeit widme ich 90 Prozent meiner Zeit dafür, das Unternehmen Permedio aufzubauen. Für Coaching und Beratung muss man geboren sein, weil du immer abhängig davon bist, was der andere macht. Dazu biete ich noch eine Masterclass an, alle sechs Wochen mit zehn Teilnehmern. Diese erhalten eine intensive Unterstützung von mir, ich helfe ihnen in den Bereichen Marketing, Finanzierung etc. weiter. Als Start-up macht man viele Fehler. Wenn man Start-ups aber schon ein paar Jahre begleitet und selbst aufgebaut hat, dann wiederholt man dieselben Fehler im Normalfall nicht. Man steigt einfach anders ein.
Werbemonitor: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fehler, die man vermeiden könnte?
Katharina Schneider: Man unterschätzt die Komplexität. Ein Start-up ist ein Unternehmen und der Gründer oder das Gründerteam haben meistens eine Idee, das reicht aber nicht. Viele Start-ups kommen aus der Technologie-, der Erfinder- oder Produktecke. Das allein ist zu wenig, weil es um die gesamte unternehmerische Sichtweise geht. Auf der einen Seite ist es immer der Revenue-Stream, d. h. wo bekomme ich die Umsätze her, bei Produkten kommt der Einkauf dazu, also relativ viele Themen. Auf der anderen Seite geht es um Organisation und Struktur, ein Team aufzubauen und zu führen, sowie um den finanziellen Hintergrund. Das ist komplex. Die meisten sind sehr produktverliebt, sie entwickeln es zu Tode und vergessen alles, was rundherum ist. Jeder, der selbst Unternehmer ist, weiß, welche Komplexität dahintersteckt und was alles dazugehört.
Es macht mir Spaß, mit einem super motivierten Team zusammenzuarbeiten.
Katharina Schneider
Wolfgang Kessler: Du holst die Erfinder also wieder auf den harten Boden des Alltags zurück?
Katharina Schneider: Es geht darum, dass eine Idee allein zu wenig ist, um ein Start-up erfolgreich zu entwickeln. Die meisten vergessen, dass der Kunde kaufen muss. Jedes Produkt oder jede Dienstleistung ist nur so gut, wie es Kunden dafür gibt.
Andreas Kirnberger: Wie ist der Lebenszyklus eines Start-ups?
Katharina Schneider: 90 Prozent der Start-ups scheitern in den ersten vier Jahren. Das ist ein internationaler Wert. Das ganze Start-up-Thema ist ein Hype, in Wahrheit kommt es aus dem Unternehmertum. Wir selbst sind sehr wählerisch und setzen uns nur dort ein, wo wir selbst einen Mehrwert inhaltlicher Natur bringen können. Was wir weniger machen, sind reine Finanzinvestments. Wir gehen eher in die Richtung Business Angel. Natürlich kann man mit Finanzmitteln unterstützen, aber in erster Linie geht es ums Know-how, ums Netzwerk, und es muss inhaltlich dazupassen.
Clemens Grießenberger: Darf ich neugierig sein, wenn ich schon die Chance habe, zu fragen? Investieren Sie längere Zeit oder geben Sie nur Anschubhilfe und nehmen bei der nächsten Gelegenheit das Investment wieder heraus?
Katharina Schneider: Meistens ist es so, dass man gezwungenermaßen sehr lange drinnen bleibt (alle lachen). Meistens ist es anders und dauert länger, als geplant. Das größte Learning aus meiner Sicht liegt in der Anfangsphase, also bis man investiert und zusagt.
Das Lenken von großen Unternehmen ist anders als das von kleinen.
Dieter Schneider
Werbemonitor: Wie führen Sie so eine große Unternehmensgruppe?
Dieter Schneider: Das Lenken von großen Unternehmen ist anders als das von kleinen. Und jetzt, wo es aufgrund der Coronakrise schwierige Phasen gab, ist das Lenken wieder mehr direkt. Im Normalbetrieb ist es immer ein Erkennen von Entwicklungen, meistens anhand von Kennzahlen und Reportings, um es mit der Geschäftsführung zu diskutieren. Das wesentliche Lenken ist aber ein anderes, nämlich die Frage, ob das Unternehmen in die richtige Richtung steuert. Je größer ein Schiff ist, desto schwerer dreht es sich um. Bei Mediashop etwa mussten wir schon einige Male einen kompletten Strategiewechsel durchführen. Wohin geht TV? Was ergänzt man? Was kommt weg? Der Handel kam dazu, jetzt hat der Handel wieder ein Problem, wie man mitbekommt. Es erforderte eine permanente Adaptierung der Strategie, und das geht nicht auf Zuruf. Die Kunst ist, dass man einen Prozess am Laufen hält, der eine revolvierende Strategie involviert.
Unser Gespräch drehte sich noch generell um die Themen Spezialisierung und Fokussierung, Mitarbeiter und Unterschiede bei Start-ups und Unternehmen, das Anders-Machen-Mindset bei Start-ups und worauf man beim Rekrutieren von Personal achten sollte. Die Zeit verging wie im Flug! Vielen Dank für Ihre Zeit, Ihre offenen Antworten und die Vermittlung Ihres Know-hows.